Feuer in Lübeck

Nach Fund eines Toten bisher keinerlei Hinweis auf weiteren Vermissten - Anwohner zeigen sich geschockt

Lübeck

Nach dem Großfeuer in der Lübecker Schützenstraße an Himmelfahrt, bei dem eine Person sein Leben verlor und eine Person sich nur durch einen Sprung aus dem zweiten Stock retten konnte, bleibt auch am Samstag weiterhin ungewiss, ob es in der Brandruine noch ein weiteres Opfer der Feuertragödie gibt. Dabei hatte die Polizei bis in den späten Freitagabend alle Anstrengungen unternommen, den aufgrund von Zeugenaussagen vermeintlich Vermissten aufzufinden. Nachdem am späten Nachmittag neben Einsatzkräften von Feuerwehr, THW und den Spezialisten des Landeskriminalamtes aus Kiel abgezogen war, tauchte am Abend im Auftrag der Polizei ein Schwerlastkran in der Schützenstraße auf. Gegen 20.00 Uhr war dann zu beobachten, wie der letzte verbliebene Beamte in Begleitung von Mitarbeitern eines Abbruchunternehmens in einem Stahlkorb am Arm des Kran in Richtung Dach gehoben wurde. Kurze Zeit später verschwand der gesamte Korb in einer Dachöffnung der völlig ausgebrannten Dachkonstruktion. Ausgestattet mit Schaufel, Säge und Fotoapparaten wiederholte sich dies noch weitere zweimal, bevor gegen 22.15 Uhr auch diese Aktion ihr Ende fand und Fahrzeuge und Kran den Einsatzort verließen. Zurück blieb die Brandruine, die im Souterain und Erdgeschoss an allen Fenstern und Türen, sowie am Durchgang zum Hauseingang vom THW mit Holzplatten verschlossen wurden. Auf jeder einzelnen prangen orange Aufkleber, auf denen „Tatort“ und „Ist beschlagnahmt! Betreten verboten!“ zu lesen ist. Die Polizei teilt am Samstag auf Nachfrage mit, dass die polizeilichen Maßnahmen vor Ort beendet seien. Damit kehrt für Anwohner und Urlauber in den vielen Urlaubsapartments um den Einsatzort herum, erstmalig wieder Ruhe ein. Die Frage nach dem Auslöser des Geschehens und die in der Zwischenzeit hartnäckigen Gerüchte bleiben. Den ganzen Tag über wiederholen sich die Gespräche von Beobachtern, in denen die schon während des Brandes aufgekommenen Gerüchte diskutiert werden: Vom beabsichtigten Verkauf des, von vielen beschriebenen recht verwahrlosten und sanierungsbedürftigen, Gebäudes ist dort die Rede. Tatsächlich findet sich bis Freitagmorgen eine  Anzeige bei IMMO Welt in der das Gebäude als sanierungsbedürftig für 399 TSD Euro zum Verkauf angeboten wird. Am späten Vormittag ist die Anzeige urplötzlich nicht mehr verfügbar. Weiter gibt es mehrere Berichte von Bekannten, Freunden und Anwohnern, wonach die Bewohner des Hauses zum Ende des Monats die Kündigung erhalten und eigentlich ihre Wohnungen hätten räumen müssen. Eine offizielle Bestätigung hierfür war bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu bekommen. Natürlich sei dies allerdings Bestandteil der Ermittlungen, war von der Pressestelle der Polizei zu erfahren.

Aber auch die Anteilnahme in Nachbarschaft und Bevölkerung war am Freitag zu spüren. Nachbarin Nicole Buthmann war die Erschütterung im Interview mit unserer Zeitung deutlich anzusehen. Sie hatte mit ihrem Mann und den Enkelkindern gerade hinter dem Haus gegrillt als sie plötzlich die Martinshörner der Einsatzfahrzeuge wahrnahm: „Mir war sofort klar, dass die wieder in dem Haus sein müssen. Irgendwie waren über 90 Prozent aller Einsätze der letzten Jahre in dem Haus.“  Problemhaus nennt sie das Gebäude und spielt damit, wie andere auch, auf die milieuzugehörige Bewohnerschaft an. Erschrocken hätte sie das unglaubliche Ausmaß des Brandes und die daraus entstandenen Folgen. „Fürchterlich, schauderhaft , dass sowas passieren muss“, beschreibt sie das Erlebte und kann sich kaum vorstellen, dass die verletzte Frau keinen anderen Weg gesehen hat, als um den Flammen zu entkommen, aus dem Fenster zu springen. Auch der Tod eines Menschen schockiert sie zutiefst. Auch fast 24 Stunden nach dem Ausbruch des Feuers schließt sie den Tränen nahe: „Es erschüttert mich immer noch, dass dort ein Mensch umgekommen ist!“

Birgit und Stefan Glantz nähern sich am Vormittag leise und unauffällig dem Einsatzort. Betrübt betrachten sie das Gebäude. Der Grund: Stefan Glantz war, wie beide berichten, selbst Bewohner in dem Haus. Genau in dem nun ausgebrannten Stockwerk habe er vor 25 Jahren mit seinem Bruder in Wohngemeinschaft gelebt. „Auch damals war das nicht das beste Gebäude“, berichtet er und wirkt dabei äußerst nachdenklich. Küche und Bad seinen auf dem Flur gewesen und mussten von den Bewohnern, der einzeln vermieteten Zimmern, gemeinsam genutzt werden. Zu dem 72-jährigen Bewohner im Erdgeschoss habe er nach seinem Auszug noch lange Kontakt gehalten. Irgendwann sei dieser dann allerdings abgebrochen. Mit seiner Frau hätte er lange in Köln gelebt bevor sie nun wieder zurückgekehrt seien.